Freitag, 29. Mai 2009

Gesamtdeutsche Perspektive

Früher gab es Jammerossis und Besserwessis
inzwischen gibt es auch reichlich
Ossijammerwessis und Besserwessiossis
zweifelsfrei eine Angleichung
zweifelhaft die Ergebnisse

Mögliche Zukunftsperspektive
Verantwortung übernehmen statt jammern
bessermachen statt besserwissen
im Osten wie im Westen
in guten wie in schlechten Tagen

Dienstag, 14. April 2009

Schweigezeit

Wenn zu Karfreitag die Glocken schweigen,
weil sie, wie man sagt, nach Rom verreisen;
wenn der Turmuhrenschlag nur die Zeit anzeigt
und bezeugt, was uns ohne Ostertag bleibt:
Ein Mensch, der wie andere der Folter erlag;
keine Auferstehung frühe am dritten Tag.
Und dass dem, der nicht annimmt, dass Jesus lebt,
am Ende selbst nur noch die Stunde schlägt.

Mittwoch, 18. März 2009

Meine Welt

Natascha
Simon
Hetti
Wilson
Andy
Halina
Hatice
Steward
Elis
Bahram
und alle von hier

aus Russland
aus Nigeria
aus Holland
aus Mali
aus England
aus Polen
aus der Türkei
aus Australien
aus Iran
ausAlbanien
und alle von hier

Alexander aus Marburg
Heike aus Winsen
Bernt aus Berlin
Gunnar aus Kingenthal
Saskia aus Franken
Tobias aus Hamburg
Ellen aus Lübeck
Detlef aus Rheinland-Pfalz
Kalle aus Postdam
Astrid aus Bauzen
und viele andre von hier

Freundinnen
Freunde
Schwestern
Brüder
Töchter
Söhne
Tanten
Onkel
längst nicht jeder genannt
der persönlich bekannt
eine Welt
unsre Welt sind wir


Meine Welt
sind die Menschen
die ich kenne
die mich lieben
vielleicht
alles sonst ist Beiwerk
nicht mehr

Mittwoch, 11. März 2009

Zeit

Zeit
lebens
Lebens
Zeit

Regelzeit
Uhrzeit
Freizeit

Spielzeit
Schulzeit
Arbeitszeit

Vollzeit
Teilzeit
Stresszeit

Zeiteinteilung
Zeitraum
Zeitfenster

Zeitmessung
Zeitvorgabe
Zeitmanagement

Zeitnutzung
Zeitersparnis
Zeitraffer

Zeitvertreib
Zeitverlust
Zeitlosigkeit

Jetztzeit
Endzeit
Auszeit

Zeit
lebens
Lebens
Zeit

Dienstag, 13. Januar 2009

Schnee von gestern

was bleibt
der ein oder andere
alte Hut
alte Hüte
wie alte Witze
Erinnerungen
wie ein
alter Hut

und der Rest ist Schnee von gestern

was bleibt
das ein oder andere
Kohlestück
Knöpfe
ein Gesicht
Lächeln
und Wärme
angedeutet

und der Rest ist Schnee von gestern

was bleibt
das ein oder andere
Monument
Autobahn
und freie Fahrt
Anlass
dieses Baus
vergessen

und der Rest ist Schnee von gestern

was bleibt?
die eine und andere
Photographie
der alten
Kameraden
ewig jung
die Gesichter
verblichen

und der Rest ist Schnee von gestern

was bleibt?
das ein oder andere
erhabene
gute und schöne
vordergründig
unverdrängt
real
unwirklich

und der Rest ist Schnee von gestern

was bleibt?
das ein oder andere
vom Rest
kommt hoch
Dresden und Angst
Auschwitz und Scham
Augen
zu und durch

doch der Rest
und Schnee
von gestern
schmelzen nicht

was bleibt?
der ein oder andere
alte Hut
alte Hüte
wie alte Witze
Erinnerungen
wie ein
alter Hut

und der Rest ist Schnee von gestern

Sonntag, 4. Januar 2009

Nicht von dieser Welt

Für deine Lügen
werden sie dich lieben

Für dein Versagen
werden sie dich verachten

aber für das
was du von ihnen weißt
werden sie dich hassen

Wer die Wahrheit liebt
deshalb eigene Fehler bekennt
und anderen ihre Fehler vergibt
ist nicht von dieser Welt

Donnerstag, 1. Januar 2009

Was kommt

Am Anfang jeder neuen Zeit
sehnt sich der Mensch nach Sicherheit

Man fragt die Propheten,
die falschen und echten
und wohl auch sich selbst:
mit was ist zu rechnen?
Doch den Prognosen ist eins gemein,
man kann sich in keinem Fall sicher sein.

Nur eins ist gewiss in nächster Zeit
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit,
dass an dreihundertfünfundsechzig Tagen
Gelegenheit ist, etwas Neues zu wagen,
und an vierundzwanzig Stunden etwas zu tun
um vorwärts zu gehn oder auszuruhn
dabei sechzig Minuten bewusst zu leben
in stetem Austausch von Nehmen und Geben
und dann im Sekundenaugenblick
zu erkennen, das Leben an sich ist schon Glück.

Das sagt den Propheten,
den falschen und echten
und auch jeder sich selbst:
Was bringt es zu rechnen,
Orakel zu fragen und prophezeihn?
Am Ende wird alles doch anders sein.

Das neue Jahr bringt jeden Tag frische Zeit,
das kommt auf uns zu, mit Sicherheit.

Benedikta Buddeberg